Bad Oeynhausen - Geschichte[n] aus der Tiefe
Kein zentraler Marktplatz mit Kirche, keine engen Gassen mit Fachwerkbauten und keine umlaufende Stadtmauer - Bad Oeynhausen, geprägt von Alleen, Brunnen und bezaubernden Parklandschaften, ist eine der außergewöhnlichsten Städte der Region. Denn anders als Minden, Herford oder Bielefeld ist der Kurort kein Kind des Mittelalters. Erst in der Mitte des 19. Jh. wird Bad Oeynhausen von einem preußischen König auf die grüne, westfälische Wiese geplant. Anlass ist der Fund einer Thermalsolequelle in 696 m Tiefe.
Als Preußen 1745 der Fund einer kalten Salzquelle auf dem Grundstück des Colon Sültemeyers gemeldet wird, entsteht plötzlich ein reges Interesse der Krone an dem abgeschiedenen Flecken Land. Die Quelle wird ab 1753 den Bau einer Saline zur Kochsalzproduktion veranlassen. Das Salzwerk schafft neue Gewerbezweige und verbesserte Infrastruktur. Langsam hält die Moderne Einzug in die uralten Dörfer der Ravensberger Mulde. Diese Entwicklung beschleunigt sich enorm als achtzig Jahre später der Oberbergrat Carl von Oeynhausen den Auftrag erhält, Steinsalzschichten in der Provinz zu erschließen. 1830 beginnt der Bergmann seine Bohrung im Gebiet des heutigen Kurparks und treibt sie 15 Jahre lang bis in eine Tiefe von 696 m voran. Das ersehnte Steinsalz wird dabei nicht aufgefunden, aber eine sprudelnde Thermalsolequelle. Carl von Oeynhausen setzt sich ab 1845 beim König dafür ein, die austretende Quelle für die Gründung einer staatlichen Badeanlage zu verwenden.
Carl von Oeynhausen (Foto: Staatsbad Bad Oeynhausen)
Klein-Potsdam in Westfalen (1845-1871)
König Friedrich Wilhelm IV. ist ein Monarch mit großem Interesse an Architektur und Kultur. Die Gelegenheit selbst einen Kurort zu gründen, kommt seinen Talenten nur entgegen. Seit 1845 treibt er den Ausbau der Kuranlagen stetig voran. Die Anbindung an die 1847 eröffnete Köln-Minden-Eisenbahn beschert dem jungen Heilbad früh Gäste aus dem In- und Ausland. Große Namen wie der königliche Gartendirektor, Peter Joseph Lenné, und der Schinkel-Schüler und Architekt, Carl F. Busse, liefern die Entwürfe für erste Kuranlagen und Gebäude. Sie zaubern ein kleines Potsdam auf die westfälische Wiese. Mit der großzügigen Gestaltung erfreut sich das seit 1848 genannte Königliche Bad Oeynhausen schnell einer großen Beliebtheit. Badeärzte erstellen erste Heilanzeigen und lindern das Leid eines bürgerlichen Publikums, welches aus den Städten flieht, um im Kurgarten Gesundheit zu erlangen. 1860 wird Bad Oeynhausen in den Stand der Städte erhoben.
Zu Kaisers Zeiten – Wachstum und Zusammenbruch (1871-1918)
Im Deutschen Kaiserreich erlebt der Kurort einen Raketenstart unter den deutschen Heilbädern. Eine stabile Wirtschaft, ein durch die Industrialisierung erstarktes Bürgertum und die Einführung der Allgemeinen Krankenversicherung lassen die Bäder im Reich aufblühen. Bad Oeynhausen wird seine Gästezahlen in dieser Zeit nahezu verachtfachen. Es setzt eine rege Baulust im Bade ein. Neue exklusive Kurgebäude wie das Badehaus II, das Kurhaus oder das Theater heben Bad Oeynhausen in den Rang der großen deutschen Heilbäder. Geschmackvolle Pensionen und Hotels schießen wie Pilze aus dem Boden und prägen noch heute das Bild der Innenstadt. Kaiser Wilhelm II besucht 1896 persönlich das Bad. Als er Deutschland 1914 in den ersten Weltkrieg führt, bricht das Kurleben zwar nicht abrupt, aber stetig zusammen. Zum Schluss dienen nahezu alle Hotels als Lazarett, die Gästezahlen sind dramatisch eingebrochen und die ausländische Klientel bleibt fern.
Kurhaus Bad Oeynhausen um 1910 (Foto: Stadtarchiv Bad Oeynhausen)
Goldene Zeiten im Bad – die Weimarer Republik (1918-1933)
Nach einem schwierigen Beginn in der Weimarer Republik werden die Zwanziger Jahre zur großen Zeit des Bades. 1926 wird der sensationelle Jordansprudel erbohrt und die Wandelhalle vollendet. Die Kurgastzahlen schießen in die Höhe und Bad Oeynhausens Name ist über die Grenzen des Kontinents als "Weltbad" bekannt. Der Sultan von Sansibar, UFA-Stars und die große Politik besuchen das Staatsbad. Die Kurgäste vergnügen sich im Varieté von Walther und Molly Monroe, besuchen Filmpremieren in den Kurlichtspielen oder genießen einen Rundflug über die Region mit den Propeller-Maschinen der Westflug GmbH. Mit dem Bau eines Kurmittelhauses zieht eine Außenstelle der Universität Hamburg an den Rand des Kurparks und erforscht systematisch die Wirkweise der Bäder.
NS-Terror, Zweiter Weltkrieg und Besatzung (1933-1954)
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 brechen die Kurgastzahlen in der Badestadt konstant zusammen. Viele ausländische Gäste bleiben dem Bad fern. Ab 1936 beginnt die systematische Ausgrenzung jüdischer Einwohner, darunter auch Badeärzte, Justiziare und Hoteliers. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges werden die meisten Hotels zu Lazaretten umfunktioniert, was den Kurbezirk vor Bombardierung schützt. Den Deportationen der 1940er Jahre fallen über 120 jüdische Einwohner zum Opfer. Am 3. April 1945 wird die Stadt kampflos durch den Badearzt Dr. Aly an die Amerikaner übergeben. Bürgermeister Dr. Kronheim erhält kurz darauf den Befehl der Alliierten, die gesamte Innenstadt räumen zu lassen. Rd. 9000 Einwohner werden evakuiert. Danach richtet General Montgomery das Hauptquartier der Britischen Rheinarmee im Hotel Königshof ein und lässt einen Stacheldraht um den Kurbezirk ziehen. Für neun Jahre bleibt das Bad besetzt. Immer wieder brennen zentrale Gebäude wie das Badehaus II oder die Auferstehungskirche nieder. Das Bad erleidet dadurch einen erheblichen Schaden.
Neustart und Strukturwandel (1954-1997)
Mit der Freigabe des Bades 1954 setzt für Bad Oeynhausen die Zeit einer umfangreichen Restaurierung und Neustrukturierung ein. Der Kurpark wird modernisiert, viele kleine Gebäude abgerissen und die Wegeführung verändert. 1960 entsteht das modernste Badehaus in Europa. Kliniken und Sanatorien werden in großer Zahl gebaut und beginnen die alten Kurpensionen in den Niedergang zu treiben. Das Bad erfreut sich deutschlandweit erneut großer Beliebtheit. 1980 eröffnet die Landesspielbank NRW ein Casino im Kurhaus. Medizinisch setzt das 1985 gegründete Herz-und-Diabeteszentrum NRW weltweit neue Standards und entwickelt sich zum Aushängeschild der Badestadt. 1995 beginnt der Umbau des Thermalsolebewegungszentrums aus den 70er Jahren zur Bali-Therme. Die Gesundheitsreform läutet deutschlandweit den Niedergang der Badekuren und die Konzentration auf stationäre Rehabilitation ein.
Aufbruch in eine neue Zeit (1997 bis heute)
Nach der Jahrtausendwende erlebt Bad Oeynhausen eine historische Zäsur. Das Land NRW wird sein letztes Staatsbad kommunalisieren. Seit 2004 fallen alle Liegenschaften des Landesbetrieb in die Verantwortung der Stadt Bad Oeynhausen. Mit 13 Reha-Kliniken und vier Fachkrankenhäusern entwickelt sich der Kurort zu einem bedeutenden Gesundheitszentrum in NRW. Neben Reha und Kur erfährt vor allem das Kulturleben und der Tourismus einen Aufschwung. Mit dem GOP-Varieté und dem Tanzclub Adiamo wird das Kurhaus zu einem neuen Anziehungspunkt im Park. Die umfassend renovierte Bali-Therme mit Erweiterung der Saunalandschaft zieht Gäste aus der ganzen Republik nach Bad Oeynhausen. Der Kurpark und historische Badehäuser werden behutsam restauriert und gepflegt. Altes wird bewahrt, Neues wird entwickelt.